Ist der Wolf in Bremen wieder angekommen?
Ist der Wolf in Bremen angekommen? Vor den Toren Bremens gibt es sie nämlich schon, die wildlebenden Wölfe. Spontan würden mir persönlich in Bremen schon zwei – drei Standorte einfallen, an denen sich ein Wolf niederlassen könnte. Dennoch – einen wilden Wolf konnte ich persönlich selbst bisher weder im Land Bremen noch irgendwo Umzu begegnen.
Der Wolf sorgt für Diskussionen
Im Sommer des Jahres 2019 konnte ich Teil einer internationalen Expedition sein, die sich mit der Erforschung der wildlebenden Wölfe in der Lüneburger Heide beschäftigt hat. Für mich war es ein Höhepunkt des Jahres. Auch wenn ich selbst keinem Wolf begegnet bin. Nach der Veröffentlichung des Beitrages hier auf meiner Webseite schlugen (erwartungsgemäß) die Wellen recht hoch. Gerade die Wolfsgegner waren da sehr fleissig im Kommentieren auf den sozialen Netzwerken. Für einen Kommentar direkt zum Beitrag hat es da wohl leider nicht von der Zeit her gereicht. Das zeigt mir auch, wie gut dann der Beitrag wirklich gelesen wurde. Hier eine kleine Auswahl der Kommentare auf Facebook:
Eine Bekannte war da auch und konnte mein Unverständnis und meine Antipathie gar nicht begreifen 😡 „Das sind doch so unglaublich schöne und tolle Tiere!“ (Zitat) 🤬🤬🤬🤬🤬🤬🤬🤬🤬🤬
Ein Schlag in das Gesicht jedes Weidetierhalters.
Zitat +++ Ich durfte für eine Woche hautnah auf den Spuren unserer wilden Wölfe in der Lüneburger Heide unterwegs sein.+++
Allerdings nicht so im wahrsten Sinne des Wortes „hautnah“ wie die Weidetiere, die dem dem Wolf (schlimmer noch DEN Wölfen) auch dort bisher zum Opfer gefallen sind.
Anderenfalls sähe Ihre „ Begeisterung“ anders aus.
Wie man diesen Wolfwanderwichs Wissenschaft und gesellschaftliches Engagement nennen kann, ist schon putzig.
Natürlich waren diese Kommentare auch ein weiterer Grund dafür, mich noch intensiver mit der Art Europäischer Wolf zu beschäftigen. Nach allen meinen Recherchen bin ich trotzdem weiter davon überzeugt, dass der Wolf in unsere Landschaft passt. Ein Zusammenleben ist möglich und Deutschland als „reiches Land“ kann sich den Wolf auch leisten.
Wie komme ich darauf?
In Deutschland existieren keine grossflächigen Naturlandschaften mehr. Durch die jahrhundertelange Nutzung der Landschaft entstanden bäuerliche Kulturlandschaften. Die zunehmende Landschaftszerschneidung und Zersiedelung der letzten Jahrzehnte wandelten diese Kulturlandschaften immer weiter in vom Menschen genutztes Land um. Heute haben wir – gerade im Umfeld der großen Städte – intensiv durch Land-, Forstwirtschaft und auch durch Freizeit genutzte Räume. Das stört aber den Wolf nicht. Er kommt ganz gut mit der Infrastruktur des Menschen klar und nutzt auch vom Menschen geschaffene Strukturen für sein Leben.
Eine Wolfsfamilie benötigt nur einen ruhigen Ort, an welchen sie ihre Jungen werfen und aufziehen können. Auch diese sind in Deutschland noch zu finden. Gerade Truppenübungsplätze bieten sich an, denn auf ihnen herrscht nahezu ein automatisches Betretungsverbot für Menschen.
Als Raubtier Beutegreifer muss ein Wolf jagen, um sich mit Nahrung zu versorgen. In der Regel bekommen die Jungwölfe erfolgreiche Methoden zur Jagd von ihren Elterntieren gelehrt. Deutschland bietet – im Gegensatz zur weitläufigeren Meinung – noch eine zu hohe Wilddichte. Diese spiegelt sich unter anderem in den Jagdstatistiken der Jagdverbände nieder. Im Jagdjahr 2018/2019 wurden 1.264.120 Stücken Rehwild und 599.855 Stücken Schwarzwild erlegt (Quelle: Deutscher Jagdverband e.V). Die Deutsche Wildtierstiftung gibt die Populationsdichte des Rehwilds mit 2.500.000 Stück an.
Leider lernen es Wölfe aber auch, dass es bequemere Möglichkeiten der Nahrungsbeschaffung gibt. Vor allem dann, wenn den Tieren das Essen quasi auf dem Silbertablett präsentiert wird. Sei es durch ungeschützte Schafherden, „Alibizäune“ oder frei herumlaufende Haushunde. Dann werden diese Wölfe schnell zu „Problemwölfen“. Wobei ich das Problem aber auch weniger bei den Wölfen sehe. Zugegeben, es ist schon zusätzlicher Aufwand, welchen man hat, um sein Hab und Gut vor dem Wolf zu schützen. Aber auch hier muss und kann die Politik und die Gesellschaft eingreifen: durch finanzielle Unterstützung bei Herdenschutzmaßnahmen und Entschädigungszahlungen und auch mit Hilfe von Arbeitskraft. Dass hier die Bürokratie und die Wege der Beantragung und Auszahlung noch ziemlich verbessert werden können, steht ausser Frage.
Der Wolf in Bremen – Chronologie
Die neuere Geschichte vom Wolf in Bremen beginnt vielleicht im März 2016. Mehrmals wurde ein „wolfsähnliches“ Tier in Bremen-Nord und westlich von Lilienthal gesichtet. Ebenso gibt es eine Sichtung aus dem Bereich Hasenbüren. Als bestätigte Hinweise können diese Sichtungen aber nicht gewertet werden.
Der erste C1-Nachweis eines Wolfes erfolgte im Januar 2017 in Bremen-Borgfeld, wo ein Wolf entlang des Lehester Deiches gesichtet und fotografiert wurde. Anhand eines von der Landesjägerschaft erstellten Laufprofiles wurde festgestellt, dass das Tiere aus dem Gewerbegebiet Haferwende stammte.
Als Nachweis (C1) für einen Wolf gelten ausschließlich harte Fakten, also ein lebend gefangenes Tier, ein Totfund, ein genetischer Nachweis, ein Foto oder die Ortung eines Wolfes, der mit einem Senderhalsband ausgestattet ist.
Im Februar 2017 kam es zu einer erneuten Sichtung eines Wolfes in Borgfeld (C3). Ebenfalls im Februar 2017 versuchte ein Wolf in Bremen-Rekum in einen Pferdstall einzudringen (C1). In den folgenden Monaten kam es zu mehreren Sichtungen an der Bremer Landesgrenze im Bereich Seebergen, Neuenkirchen und Borgfeld (Riss eines Rehbocks – C2). Im April des gleichen Jahres sollen zwei Schülerinnen bei Bremen-Vegesack von einem Wolf? angeknurrt wurden sein. Diese Begegnung wurde als wahrscheinlicher C3-Nachweis eingestuft. Weitere Rehrisse in Borgfeld und auch Trittsiegel dort und im Blockland wurden dokumentiert.
Im Januar 2018 wurden zwei wolfsähnliche Tiere in der Nähe eines Bremer Hotels an der A27 gesichtet (C3). Im Juni 2018 gab es dann den ersten bestätigten Nutztierriss eines Wolfes in Oberneuland.
Im Mai 2019 wurde ein Wolf auf dem Wümmedeich in Oberblockland gesichtet. Offensichtlich kommt es immer wieder vor, dass Wölfe aus dem benachbarten Landkreis Osterholz-Scharmbeck über die Wümme südwärts nach Bremen vordringen.
Für 2020 liegen bereits aktuelle Sichtungen und auch Nutztierrisse aus Bremen-Mittelhuchting vor. Hier sollen mindestens zwei Wölfe aktiv sein. Sollte sich hier im Grenzgebiet zwischen Niedersachsen und Bremen von Lemwerder, Schönemoor bis nach Huchting ein Pärchen ansiedeln?
Quellenangabe: Landesjägerschaft Bremen – Informationen zu den Wölfen in Bremen
Seit Anfang Februar 2021 gibt es wieder Hinweise auf Wolfssichtungen im Bereich Stuhr, Moordeich und Huchting. Ob es sich hier aber um einen wirklichen Wolf handelt, wird von offizieller Seite bislang nicht bestätigt. Anbei des Video bei buten un binnen Möglicherweise Wolf in Huchting gesichtet: Das ist bislang bekannt (Video nicht mehr verfügbar)
Auch im Jahr 2022 häufen sich angebliche Wolfsrisse. Mehr als 90 Nutztiere sollen durch Wölfe gerissen sein. Über Ergebnisse der erfolgten DNA-Analysen konnte ich noch nichts erfahren. Aber durch die Häufung der Risse und die Anzahl liegt der Verdacht nahe, dass sich ein neues Wolfsrudel angesiedelt hat. Die Angriffe erfolgten alle im Raum Schwanewede und auch auf dem Territorium des Landes Bremen.
Der Wolf in Bremen – willkommen oder nicht?
Ob der Wolf in Bremen nun willkommen ist oder nicht, diese Frage werden wir sicher wohl erst in den nächsten Jahren beantworten können. Im Bereich der Landesgrenzen gibt es einige geeignete Lebensräume für ihn. Ein Zusammenleben wird allerdings nicht ohne Konflikte möglich sein. Gerade, wenn der Wolf – wie seine Hauptnahrung, das Rehwild, noch mehr zum Kulturfolger wird und dann selbst in eng bebauten Bereichen auftritt.
In Bremen und in Bremerhaven sind aktuell vier ehrenamtliche Wolfsberater tätig. Neben der Bremer Naturschutzbehörde sind sie der erste Ansprechpartner für die Bevölkerung. Deren Kontaktdaten und auch weitere Informationen rund um den Wolf sind auf der Webseite des Bremer Senats zur Verfügung gestellt: Informationen zum Thema Wolf
Mich würde es freuen, wenn der Wolf auch in Bremen heimisch wäre. Doch eher werden es wohl nur einzelne Tiere sein, die durch das kleine Bundesland wandern. Vor einer Begegnung mit einem Wolf hätte ich weniger Angst als vor Wildschweinen. Auf alle Fälle werde ich weiter die Ohren und Augen aufhalten.
Sinnvolles Verhalten bei Begegnung mit einem Wolf
Die Wahrscheinlichkeit einem Wolf in der freien Natur zu begegnen ist immer noch äusserst gering. Auch bei gestiegenen Wolfsbeständen. Die wenigsten Menschen bemerken es, wenn Wölfe in ihrer Nähe sind. Selbst wenn die Tiere sich direkt an einem Wanderweg befinden, warten sie für gewöhnlich, bis die Menschen an ihnen vorbeigegangen sind.
Sollte sich wider Erwarten eine Begegnung mit Wölfen ereignen, so sollten die gleichen Grundregeln gelten, die im Zusammenleben mit Wildtieren wie auch einem Wildschwein immer zu beachten sind:
- Ruhe bewahren und den Wölfen die Möglichkeit geben, sich zurück zu ziehen. Wenn man sich unwohl fühlt, kann man sich groß machen, klatschen, die Wölfe bestimmt ansprechen oder rufen, oder sich langsam zurückziehen.
- Nicht panisch weglaufen. Wenn man Distanz zwischen sich und den Wolf bringen möchte, langsam und sicher rückwärts gehen. Dabei darauf achten, dass man nicht über Steine, Stöcke oder andere Hindernisse stolpern könnte.
- Auf keinen Fall auf die Wölfe zugehen oder versuchen, sie zu streicheln oder zu füttern. Auch nicht nachlaufen, wenn sich die Wölfe zurückziehen. Sollte man auf Jungtiere treffen, diese nie Anfassen und auch Bauten oder Wurfhöhlen nicht aufsuchen.
Hier kannst du weitere Beiträge zum Thema Wolf auf meiner Webseite lesen:
Überblick
Vor den Toren Bremens gibt es sie schon, die wildlebenden Wölfe. Ob der Wolf in Bremen nun willkommen ist oder nicht, diese Frage werden wir sicher wohl erst in den nächsten Jahren beantworten können.
Geschrieben von Torsten Berg
Dieser Beitrag wurde zuletzt am 08.08.2023 aktualisiert.
Erstellt wurde er am 06.04.2020 .
Wenn ich mir die Zahlen des Deutschen Jagdverbandes ansehe – 1,3 Mio. Stück Reh- und 0,6 Mio Stück Schwarzwild erlegt; und das in einem Jagdjahr … Wölfe jagen, um sich zu ernähren. Vielleicht sollten wir uns auch mal die Motive der Leute ansehen, die sich „Jäger“ nennen. Und so bedauerlich es für die Halter ist, wenn mal ein Wolf ein Weidetier reißt – oft fehlt es an Sicherungen für die Herden … aus Kostengründen. Für mich ist überhaupt nicht einsehbar, warum viele meiner Mitmenschen einem Wildtier gegenüber solche Angst- und Hassgefühle hegen und pflegen. Ich hoffe, die sachlichen Informationen Deines Artikels helfen, ein paar der reichlich vorhandenen Vorurteile zu beseitigen.
Hallo Ullrich,
ich glaube, die Treiber des Wolfshasses sind weniger die „Berufs“jäger als die Leute mit den grünen Kreuzen unter Führung des Vereins, der Verbindung schaffen will. In den einschlägigen Internetseiten und den Gruppen der sozialen Netzwerke kann man nur den Kopf schütteln vor soviel Aluhutträgern, Verschwörungsfanatikern und anderen Hatern. Mit Sachlichkeit und mit Diskussionen erreicht man da nichts.
Beste Grüsse
Torsten