Lascaux – eine Zeitreise 20.000 Jahre zurück

Lascaux heisst einer der Orte aus meiner Kindheit. Damals wusste ich das noch nicht. Aber immer wieder schaute ich mir die Fotos und Zeichnungen von dort in meinen Büchern an.

Geschrieben von Torsten Berg

Dieser Beitrag wurde am 23.10.2023 aktualisiert.

Erstellt wurde er am 22.10.2019 .

Lascaux – eine Zeitreise 20.000 Jahre zurück

Lascaux heisst einer der Orte aus meiner Kindheit. Damals wusste ich das noch nicht. Aber immer wieder schaute ich mir die Fotos und Zeichnungen von dort in meinen Büchern an. Fasziniert war ich von den Abbildungen, die die Menschen vor über 20.000 Jahren schon auf Felsen gemalt haben. Während meines Aufenthaltes im Südwesten Frankreichs hatte ich Gelegenheit, diesen magischen Ort zu besuchen.

Lascaux - Zeitreise 20.000 Jahre zurück in die Urgeschichte der Menschheit

Lascaux – ein kleiner Auftakt

In der Höhle war es kühl, feucht und muffig. Die mitgebrachten Kerzen erleuchten die Dunkelheit nur wenig. Schemenhaft sind an den Wänden die Umrisse grosser Tiere zu erkennen. So ähnlich müssen es wohl die vier Jungen erlebt haben, die am 12. September 1940 zum ersten Mal diese Höhle betreten haben.

Wände und Decken dieses Höhlenabschnitts waren mit einem feinen Rasen aus weißen Calcit-Kristallen bedeckt, der eine Art Leinwand bildete, auf der sich mit Mineralfarben malen ließ. In Schwarz, Braun, Ocker, Rot präsentierte sich den jungen Männern – im Licht einer an der Spitze brennenden Fettpresse  – die Großtierwelt der Gegend vor 17.000 Jahren, teils plastisch, mit leicht aus der Bildebene geneigten Köpfen, in wunderbaren Farben.

Die Wiederentdeckung der Höhle von Lascaux im Departement Dordogne im Südwesten Frankreichs führte dazu, dass diese in der Region ein Publikumsmagnet wurde. Zwischen 1940 und 1963 besuchten über 1 Million Besucher diesen Ort. Dieser Ansturm blieb natürlich nicht ohne Folgen für die Höhle und die Malereien. Doch dazu später mehr.

eine Zeitreise 20.000 Jahre zurück in die Urgeschichte der Menschheit

Eine Zeitreise 20.000 Jahre zurück in die Urgeschichte der Menschheit

Während der jüngeren Altsteinzeit sah die Gegend um Lascaux natürlich noch anders aus als heute. Die Landschaft ähnelte einer Steppe und bot einer reichhaltigen Fauna guten Lebensraum. Das nutzten auch die damals hier lebenden homo sapiens. Hier im Tal der Vézère fanden sie reichlich Nahrung. Ihre Lager hatten sie wohl an durch Felsvorsprünge geschützten Plätzen. In den umliegenden Höhlen pflegten diese frühen Menschen ihre Kulturen. Zum Wohnen waren diese Höhlen wohl zu feucht und zu kalt. Zumindest in Lascaux konnten keine Siedlungsspuren gefunden werden.

In der Höhle von Lascaux malten sie die farbenprächtigen und detailgetreuen Abbildungen der Stiere, Pferde, Hirsche, einen Bären und Auerochsen. Die Lascaux-Malereien gelten als besonders ausdrucksstark, ästhetisch und besonders kunstvoll. Die damaligen Künstler benutzten feine Maltechniken, kannten schon Schablonen und verschiedene perspektivische Darstellungen. Sie verfügten auch über eine sehr exakte Beobachtungsgabe. Neben Abbildungen von Tieren in Bewegung stellten sie auch jahreszeitlich bedingte Besonderheiten dar. Zum Beispiel offenbart sich dem Betrachter der Fellwechsel der Wisente im Sommer und im Winter.

Die damaligen Cro-Magnon-Menschen müssen beim Malen ebenfalls bereits auf selbst gebauten Gerüsten gestanden haben. Das zeigen Balkenreste und Löcher in den Wänden. Diese waren nötig, um die Wände und Decken im oberen Bereich der Höhle zu bemalen. Zum Malen wurden Mineralien aus der Umgebung genutzt. Ebenso wurden Öl-Lampen und verschiedene Malutensilien selbst angefertigt.

Die Höhlen von Lascaux waren zweifelsohne eine Kultstätte, an dem sich die verschiedenen Menschengruppe trafen. Hier feierten sie, erzählten sich ihre Geschichten und beschwörten wohl auch ihre Jagderfolge. Fragen können wir sie heute leider nicht mehr und auch die Fundstücke ihrer Hinterlassenschaften werden in dieser Hinsicht nicht deutlich. Was wir aber sagen können, ist, dass diese Menschen schon damals gute Künstler und Beobachter waren. Der spanische Maler Pablo Picasso soll 1940 beim Anblick der Steinzeit-Malereien ausgerufen haben:

„Wir haben nichts dazu gelernt!“

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Fast hätte man ein Teil des Erbes der Menschheit verloren

Kein Wunder, dass die Höhle nach dem Krieg schnell zu einem Publikumsmagneten wurde. Bald wurde sie für den öffentlichen Publikumsverkehr hergerichtet und am 13. Juli 1948 feierlich eröffnet. Bereits 1955 machen sich jedoch auf den Wänden erste Veränderungen bemerkbar. Das dort enthaltene Calzit reagiert mit dem Kohlendioxid, welches die mittlerweile 30.000 Besucher pro Jahr in der Höhle freisetzen.  Zusätzlich zur “weissen Krankheit” kommt dann 1960 eine vermehrte Algenbildung, die “grüne Krankheit”. Beide Umstände sorgen dafür, dass die Malereien immer mehr gefährdet werden. 1962 werden 100.000 Besucher pro Jahr verzeichnet. Aufgrund von Algenkolonien kommt es zur Ausbreitung der “grünen Krankheit”. Aufgrund des zunehmenden Verfalls, der die Bilder heimsucht, wird die Höhle für den Besucherverkehr geschlossen.

Im Jahr 2000 wurde die alte passive Luftzirkulation ohne Test durch eine technische Klimaanlage modernisiert. Mit fatalen Folgen! Ein weiterer Pilz besiedelte die Höhe und es bildete sich schwarzer Schimmel. Das Anwenden von Antibiotika und Fungiziden machte die Lage nicht besser. Seit 1962 ist es nicht mehr möglich, die originalen Malereien in der Höhle zu besichtigen. Es bleibt nur zu offen, dass dieses Weltkulturerbe im Original noch lange erhalten bleibt. Vielleicht haben dann irgendwann in ferner Zukunft einmal vernunftbegabte Wesen die Chance, diese Malereien wieder zu entdecken. Dann können sie sich auch ein Bild davon machen, wie bunt und vielfältig das Leben auf dieser Erde vor dem heutigen Menschen war.

„Wer diese Zeitkapsel betritt, sieht sich vier Meter langen Stieren gegenüber, die über massiven Gewölben wie religiöse Erscheinungen zu schweben scheinen. Ein rätselhaftes, geflecktes Tier mit runder Schnauze und langen, geraden, vorwärts weisenden Hörnern, plumpe Pferde in leuchtendem Gelb und Hirsche mit baumartigen Geweihen – alles scheint zugleich Vertrautes der Gegenwart und Botschaft einer fernen Welt zu sein“

TIME-Magazin über die Entdeckung der Höhle im Jahr 1940

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Leider nur noch als Replik zu besichtigen

1983 schliesslich wird der erste Nachbau als Lascaux II, nur 200 m von der Originalhöhle entfernt, eröffnet. Der Grund hierfür war das ungebrochene öffentliche Interesse der Öffentlichkeit und die Schenkung der Höhle an den französischen Staat im Jahr 1972. Lascaux II ist eine originalgetreue Kopie des Saals der Stiere und des axialen Seiteneingangs. 2011 wurde Lascaux II die meistbesuchte Sehenswürdigkeit in der Dordogne mit 250.000 Besuchern pro Jahr!

Mit Lascaux III entstand eine Wanderausstellung mit Kopien aus dem grossen Schiff der Höhle. Diese Ausstellung reist aktuell um die Welt und war vor kurzem in München zu sehen. 2016 wurde dann als vorerst letzter Höhepunkt Lascaux IV als Internationales Zentrum für Höhlenmalerei eröffnet. Um den Fortbestand der Höhlenmalereien in Lascaux zu gewährleisten, wird eine Unantastbarkeitserklärung für den Hügel von Lascaux verfasst. Diese Empfehlung wird zum Leitsatz von Lascaux IV.

Das neu zu schaffende Internationale Zentrum für Höhlenmalerei soll sich perfekt in die Landschaft einfügen. Statt Protz oder übermässige Formen und Materialien soll es Kraft ausstrahlen.  In einem mehrere Jahre dauernden Auswahl- und Entscheidungsprozess wurde sich für das nun vorhandene Konzept entschieden. Die Anlage erschliesst sich dem Besucher als ein modernes Besichtigungserlebnis. Angepasst an die Landschaft erinnert das neue Gebäude schon vom Aussehen her an eine Höhle. Im Inneren finden wir eines der modernsten Museen Europas.

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Das Abenteuer beginnt …

Zu Beginn der Entdeckungstour erhalten wir einen Multimedia-Guide. Dieser Guide begleitet uns zusätzlich zum Führer, stellt digitale Hilfsmittel zur Verfügung und ist in derzeit neun Sprachen verfügbar. Zu Beginn der eigentlichen Führung fahren wir per Lift hinauf zu einem Aussichtsturm. Von hier oben haben wir einen wunderbaren Blick auf das Vézére-Tal. Wir können sogar auf den Eingang der Originalhöhle schauen.

Im Unterstand zeigt sich auf einer Großbildleinwand die Natur von vor 20.000 Jahren. Damals gab es hier eine von vielen Tieren bevölkerte Steppe. Nach einen Zeitsprung landen wir im Jahr 1940. Die Landschaft kennen wir bereits aus unseren Tagen. Die vier jugendlichen Entdecker machen sich auf den Weg in den Wald und laden uns ein, ihnen zu folgen. Wir gelangen in einen dunklen Raum und können uns so an das Halbdunkel der Höhle gewöhnen. Das Abenteuer beginnt …

Zwar befinde ich mich nicht in der originalen Lascauxhöhle, sondern in einer 1:1-Replik. Trotzdem verspüre ich Gänsehaut vor lauter Aufregung. Es ist kühl und dunkel, die Geräusche sind gedämpft. Es ist eine Atmosphäre wie in einer richtigen Höhle. Langsam erkunden wir mit unserem Führer die Höhle. Er zeigt und erzählt uns vom Schuttkegel, über welchen die vier jungen Entdecker den Zugang zur Höhle fanden. Wir bewundern im matten Licht der Taschenlampe den Saal der Stiere, in dem sich die imposantesten Malereien befinden. Wir gehen durch die Sixtinische Kapelle der Urgeschichte, bewundern die Malereien in der Passage, der Apsis und dem Schiff.

Ich sehe und erlebe die Zeichnung der schwarzen Kuh, die schwimmenden Hirsche und die aneinandergelehnten Bisons. Staunend stehe ich vor den Zeichnungen, die sich überlagern. Sehe die Ritzzeichungen und geheimnisvollen Zeichen der damaligen Künstler. Was sie uns damit wohl hinterlassen haben? Fast alle Seiten in den Höhlenräumen sind bemalt. Ebenso die Decken. Ich sehe Tiere, detailgetreu, wie ich sie selbst kaum zeichnen könnte. Tiere, die perspektivisch gemalt sind. Tiere in Bewegung und in ihrem jahreszeitlich bedingten Leben. Junge Tiere und alte Tiere. Die Menschen, die diese Bilder gezeichnet haben, kannten sich in ihrer Natur aus! Stundenlang könnte ich hier verweilen, schauen und entdecken. Ob ich mich einschliessen lasse?

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Eine modernes Erlebnismuseum

Aber das Lascaux Centre International hat noch einiges mehr zu bieten. Nach dem Rundgang durch die Höhle bieten sich in der Werkstatt von Lascaux weitere Möglichkeiten zum Entdecken an. Allein das Gebäude des Zentrums ist ein architektonisches Meisterstück. Gleicht es von aussen noch dem Grundriss der Höhle, so sieht es von innen auch so aus.

Im Atelier von Lascaux wird den Besuchern mithilfe der jüngsten digitalen Technologien ein lehrreicher und pädagogischer Ansatz geboten: Mithilfe von Virtual Reality können wir die Höhlenmalereien im Inneren der Höhle erforschen. Sogar eigene virtuelle Höhlenmalereien können wir anfertigen mit denselben Werkzeugen und Techniken, die auch unsere Vorfahren verwendet haben. Einige Objekten, die bei archäologischen Ausgrabungen in Lascaux gefunden wurden, können wir ebenfalls betrachten. Im Theater für Höhlenmalerei erleben wir in drei inszenierten Akten die Geschichte der Höhlenforschung bis hinein in unsere Zeit.

In der anschliessenden Galerie des Imaginären erleben wir eine digitale Höhle und können uns unsere eigene Ausstellung zusammenstellen. Bilder moderner Kunst, Fotografien können mit Bildern der Höhlenmalerei kombiniert werden. Ich erkenne den Zusammenhang zwischen den Bildern unserer weiten Vorfahren und dem Instagram oder Pinterest von heute. Heute schmücken Graffiti die Wände unserer Städte. Auch wenn es unter diesen Malereien wahre Kunstschätze gibt, an die Malereien in Lascaux kommen sie wahrlich nicht heran. Vielleicht liegt das aber auch an der Beliebigkeit und Austauschbarkeit der Werke. Oder daran, dass es heute Millionen von Malereien, Fotografien und Bilder gibt.

Die Vorgeschichte der Entdeckung dieser Höhle war gleichermaßen märchenhaft. Unter den jungen Leuten der Gegend kursierte die Legende, dass vom alten, maroden Schloss des kleinen Ortes Montignac zum Gutshof von Lascaux ein Geheimgang – unter dem Fluss Vézère hindurch! – existiere, von dem ein Zweig in den Wald von Montignac führe, an dessen Ende ein veritabler Schatz zu finden sei.

Lascaux - Zeitreise 20.000 Jahre zurück in die Urgeschichte der Menschheit

Meine Meinung zu Lascaux

Als Kind schaute ich mir immer wieder gern die Bilder der Höhlenmaler von damals an. Nun stand ich vor diesen Malereien. Es waren zwar nicht die wirklich originalen, doch das tat meiner Faszination keinen Abbruch. Auch ich habe wieder einen Schatz gefunden, einen Schatz aus meiner Kindheit. Jeder, der einmal in der Gegend von Montiniac weilt, sollte Lascaux einen Besuch abstatten. Er muss sich nur auf diese Zeitreise 20.000 Jahre zurück in die Urgeschichte der Menschheit einlassen. Vielleicht entdeckt er auf dieser Reise sogar ein kleines bisschen von sich selbst wieder.

Die Besichtigung dauert ca- 2,5 Stunden. Geöffnet ist das Internationales Zentrum für Höhlenmalerei im Winterhalbjahr ab 10 Uhr, im Sommer ab 8 Uhr. Die Ticketpreise bewegen sich bei 20 € für einen Erwachsenen und 12,90 € für ein Kind von 5-12 Jahre. Verschiedene Ermässigungen und Kombitickets sind erhältlich.

Ich finde, Lascaux ist einer der Urorte für unsere kulturelle Menschheitsgeschichte. Damals vor 20.000 Jahren malten hier Menschen ihre Umwelt in beeindruckender Art und Weise. Perspektivisch und bewegt. Ich bezweifle, dass viele der heute lebenden Menschen diese Bilder so eindrucksvoll auf Höhlenwände zeichnen können. Zurecht wurde Lascaux als Erbe der Menschheit anerkannt. Hier sollte bei der Sicherung und Bewahrung weder Geld noch Zeit eine Rolle spielen.

Persönlich gefällt mir der moderne und trotzdem angepasste Museumsbau. Auch das hinter diesem Projekt stehende Konzept finde ich gelungen. Begeistert hat mich die Verbindung von den 20.000 Jahre alten Höhlenmalereien hin zu unserer modernen und zeitgenössischen Kunst. Ich liebe solche Bildungsorte, alte Bauwerke oder Museen, in denen man weggeht vom alleinigen Betrachten toter Gegenstände.

Allerdings finde ich einen Ticketpreis von 20 Euro für ein Einzelticket überzogen. Hier fährt die ausführende Gesellschaft mit der Einzigartigkeit wohl einiges an Umsatz ein. Mir persönlich wäre es lieber, dass solche Stätten für Besucher kostenfrei zugänglich sein sollten. Die Finanzierung und der Unterhalt sollten stattdessen dafür aus dem Steueraufkommen und privaten Spenden kommen.

Lascaux - Zeitreise 20.000 Jahre zurück in die Urgeschichte der Menschheit

Übrigens: Knapp 300 Kilometer weiter südlich sind in der Grotte von Niaux ebenfalls originale Höhlenzeichnungen zu entdecken. Katja von hin-fahren.de war dorthin  mit ihrem Wohnmobil unterwegs. Einen Blick auf die damalige Tierwelt kannst du auch in den norddeutschen Breiten in der Cuxhavener Küstenheide werfen.

 

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  1. Jehilona Kaminski 3. November 2019 at 8:37 - Reply

    Da scheint sich noch mal einiges getan zu habenim Museumsbereich. War vor ca. 9 Jahren in der Schauhöhle und fand es schon damals wunderbar gemacht. Wir hatten eine total geniale Führung und unseren Kindern hat es auch extrem gut gefallen. Sollten wir vllt. bei Gelegenheit wiederholen.

    • Torsten 4. November 2019 at 10:41 - Reply

      Hallo Jehilona,

      ja, in den modernen Museen hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Es geht immer mehr weg vom einfachen Schaustellen hin zum Mitmachen und Entdecken. Und vielfach gibt es auch Mitmachangebote für Kinder.

      Beste Grüsse

      Torsten