Kostbarkeit am Wegesrand – das Harzer Rotvieh

Das Harzer Rotvieh kann man seit einigen Jahren wieder auf Wanderungen im Harz antreffen. Auf den Harzwiesen weiden seit einigen Jahren wieder kleine Gruppen dieser alten regionalen Rinderherde. Als stark vom Aussterben bedrohte alte Nutztierrasse stehen diese Tiere sogar auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.!

Geschrieben von Torsten Berg

Dieser Beitrag wurde am 24.05.2023 aktualisiert.

Erstellt wurde er am 24.05.2016 .

Kostbarkeit am Wegesrand – das Harzer Rotvieh

Das Harzer Rotvieh kann man seit einigen Jahren wieder auf Wanderungen im Harz antreffen. Auf den Harzwiesen weiden seit einigen Jahren wieder kleine Gruppen dieser alten regionalen Rinderherde. Als stark vom Aussterben bedrohte alte Nutztierrasse stehen diese Tiere sogar auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.!

Kostbarkeit am Wegesrand: das Harzer Rotvieh

In den 1970ger und 1980ger Jahren fuhr ich mit meinen Eltern oftmals in den Harz, auch bevor wir dort wohnhaft wurden. Viel wanderten wir dort und besuchten Verwandte oder Großeltern. Immer sahen wir auch Kühe auf den Harzwiesen weiden. Sehr oft waren es die normalen schwarz-bunten Rinder.

Seit einigen Jahren trifft man aber immer häufiger wieder das Harzer Rotvieh an. Als einfarbig rote Rinderrasse aus dem Harz kann man diese Tiere leicht erkennen. Diese Rinder gehören wohl zu den ältesten und ursprünglichsten Nutztierrassen unserer Heimat.  Sie entstammten den roten Rinderrassen Süd- und Mitteldeutschlands. Als Stammvater kann wahrscheinlich das rote einfarbige germanisch-keltische Rind angenommen werden. Daraus entwickelte sich unter den Bedingungen des Mittelgebirges im Harz eine eigenständige Rinderrasse.

Das Harzer Rotvieh sicherte das Überleben vieler Familien

Bei den Bewohnern des Harzes hatten die “Harzkühe” einen sehr großen Stellenwert. Die Menschen waren meist besonders arm und die Rinder sicherten das Überleben. Fast alle Familien hatten ein bis drei Harzkühe daheim im Stall stehen. Dabei gaben die Tiere nicht nur gute Milch und Fleisch, sie wurden auch für die Feldarbeit und als Zugtiere genutzt. Damit war diese Rasse ein typisches Dreinutzungsrind.

In den Harzer Ortschaften wurden die Tiere morgens aus dem Stall auf die Strasse gelassen und von dort nahm der Kuhhirte alle Rinder mit auf die Waldweide. Mitunter mussten die Tiere bis zu 20 km am Tag laufen, um ihren Futterbedarf zu decken. Dabei bimmelten die Kuhglocken in den unterschiedlichsten Tönen. Abends fand dann jede Kuh wieder zurück in ihren Stall, wo sie gemolken wurde. Trotz des sehr kargen Futters im Oberharz hatten die Harzkühe eine gute Milch -und Fleischleistung.

Kostbarkeit am Wegesrand: das Harzer Rotvieh

Opfer der industriellen Landwirtschaft

In den 1950er Jahren wurde das Harzer Rotvieh mit Bullen der Rasse Rotes Dänisches Milchrind zur Erhöhung der Milchleistung gekreuzt. Später wurden weiter  insbesondere Angler Rinder eingekreuzt. Damit war das Harzer Rotvieh seit ca. 1980 nur noch eine Variante des Angler Rindes. Mitte der 1980er Jahre benutzte man noch vorhandene Tiere des alten Harzer Rotviehes (die allerdings bereits Einkreuzungen anderer Rassen hatte) zum Aufbau der neuen Population des Roten Höhenviehs. Jedoch konnten sie dem wachsenden Leistungsdruck der Intensivierung in der Landwirtschaft nicht standhalten und wurden damit fast ausgerottet. 1970 wurde der letzte Rotviehbulle in der Besamungsstation Nordhausen geschlachtet. Im Ostharz verschwand das Harzer Rotvieh Ende der 70-er Jahre vollständig aus der beheimateten Region. Auch im Westharz gab es keine Herden mehr. Unbegreiflich – innerhalb weniger Jahre wurde der Bestand von ca. 4.300 roten Herdbuchkühen im Harz liquidiert.

Gründe dafür war die stark leistungsorientierte Ausrichtung der Rinderzucht. Die in den Familien vorhandenen, Milch, Fleisch und Arbeitsleistung erbringenden Rinder hielten den modernen Anforderungen an Fleischausbeute und Milchmenge nicht mehr stand. Zudem war es einfach bequemer und auch wesentlich effektiver, mit Traktoren die Felder und Grünflächen zu bewirtschaften.  Und anstatt mit dem Kuhgespann zum Markt oder in die Stadt zu fahren, wurde mehr und mehr das Auto benutzt.

Heute trauern viele Menschen diesem „Kulturverlust“ nach. Viehaustriebe und Almauftriebe sind aktueller denn je. Auf Waldweiden grasende Rinder mit Kuh-Glocken vermitteln auch heute noch eine heile Welt. Bei Umzügen und Schauen sind vermehrt geschmückte berittene oder angespannte Kühe zu bestaunen. Viele ältere Deutsche fahren extra für solche Erlebnisse in die Schweiz oder nach Österreich.

Wiederauferstehung dank des Tourismuswesens und des Naturschutzes

Dank engagierter regionaler Züchter gibt es heute wieder 600 Mutterkühe der Rasse Rotes Höhenvieh. Kennzeichnend für diese Rasse ist ihre mittlere Größe, ihre weit herabhängenden Wamme und ihre helle Nasenpartie. Helle Hörner mit schwarzer Spitze, eine helle Schwanzquaste und dunkle und harte Klauen unterstreichen die Schönheit des einfarbig rotbraunem Fell. In der Haltung ist diese Rasse genügsam, von robuster Gesundheit und problemlos. Die Kühe sind leichtkalbig und sehr mütterlich. Ihre Milch hat einen sehr hohen Gehalt an wertvollen Inhaltsstoffen. Das Fleisch des Harzer Rotviehs ist kurzfaserig ohne viel Talg und Fett.

Als robuste Arbeitstiere sind die Rinder für alle Gespannarbeiten zu gebrauchen und zudem auch über weite Strecken marschfähig. Die Tiere leisten heute zudem einen wertvollen Beitrag als ideale und schonende Landschaftspfleger für Berg- und Feuchtwiesen, extreme Lagen, Grenzstandorte, Streuobstwiesen und Gipskarst-Standorte im Harz. Mit den Harzer Kräuterwiesen und dem rauen Oberharzer Klima kommen diese Tiere hervorragend zurecht. So konnte auch dank des regionalen Tourismuswesens eine uralte Haustierrasse der Nachwelt erhalten bleiben.

Und spontan kam mir auch eine Idee für Waldesruh! Auch Bauer Heinrich wird eine kleine Herde vom Harzer Rotvieh halten und so einen weiteren kleinen Beitrag zum Erhalt der Waldesruher Kultur leisten. Mal sehen, wie ich die Kühe aus DDR-Zeiten umgestalten kann, daß diese ähnlich dem Harzer Rotvieh aussehen.

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  1. Thomas Jacob 24. Mai 2016 at 18:29 - Reply

    Schöner Artikel