Jamie Lee Kriewitz fährt als Siegerin im deutscher Vorentscheid 2016 für den ESC nach Stockholm
Geschrieben von Torsten Berg
Dieser Beitrag wurde am 19.03.2024 aktualisiert.
Erstellt wurde er am 26.02.2016 .
Deutscher Vorentscheid 2016 für den ESC
Deutscher Vorentscheid 2016 für den ESC, den Eurovision Song Contest. Alle Jahre wieder wird ein erfolgreicher Beitrag gesucht. Mal mehr, mal weniger innovativ. Seit Jahren ist es jedoch jedes Jahr das selbe Trauma.
Überraschende Qualität beim deutschen Vorentscheid 2016 für den Eurovision Song Contest
Eigentlich sollte in diesem Jahr Xavier Naidoo ohne große Vorauswahl zum weltgrößten Musikwettbewerb geschickt werden. Nach dem Eklat des letzten Jahres eigentlich ein neuer und mutiger Versuch. Wir erinnern uns: der eigentliche Vorentscheidungsgewinner Kümmert wollte die Wahl dann doch nicht annehmen und stattdessen wurde Ann-Sophie als zweitplatzierte nach Wien geschickt, was jedoch wiederum letztendlich in einem 0-Punkte-Desaster endete.
Der NDR hob seine Entscheidung für Naidoo dann doch auf und setzte auf das altbewährte Mittel der Vorentscheidung durch die Fernsehzuschauer. Gestern war es dann soweit: die 10 Stücke der Bewerber um die Fahrkarte nach Stockholm präsentierten sich auf der Showbühne. Trotzdem war es diese Jahr etwas anderes! Die Vorgehensweise war gleichsam bekannt, doch die Musikauswahl lies mich überraschen. Vorab: mir hat die Mehrzahl der gezeigten Beiträge überraschend gut gefallen.
Ich bin nicht Fan genug, um mir wochenlang die einzelnen Songs der einzelnen Vorentscheidung anzuhören. Gleichsam vermeide ich es ebenfalls, mir die Beiträge des eigentlichen Eurovisionswettbewerbs vorab täglich und stündlich zu Gemüte zu führen. Dies aus zwei Gründen: erstens kann man sich an den Liedern auch irgendwann satt hören und zweitens fehlt dann durch die Gewöhnung auch meist der benötigte Abstand zu Feeling des ersten Hörens.
Zurück zum deutschen Vorentscheid: Zwei Mitglieder unseres eurovisionlive.com Teams saßen übrigens direkt vor Ort in der Halle. Die übrigen genossen den Abend von ihren heimischen Wohnzimmern aus. Eventuell sollte überlegt werden, auch die deutsche Vorentscheidung wieder an einem Wochenendtag stattfinden zu lassen.
Barbara Schöneberger moderierte auch in diesem Jahr wieder wie immer gewöhnungsbedürftig gekonnt und kurzweilig. Und gab auch gleich ein Versprechen ab: der Gewinner müsste auf alle Fälle nach Stockholm fahren. Und natürlich sang sie auch wieder – diesmal ein Medley aus einigen Grandprix-Liedern mit eigenwillig interpretierten Texten. Prompt erreichte mich auch eine Nachricht via whatsapp: „Wir lassen die Zusammenfassung und schicken die Schöneberger nach Stockholm.“ Zumindest wäre der Beitrag dann garantiert ein Stückchen Unterhaltung.
Ein abwechslungsreicher Abend mit einigen Überraschungen: deutscher Vorentscheid 2016
Bei den folgenden zehn sich bewerbenden Titeln kamen dann auch zwangsläufig einige Assoziationen auf. Sei es die gewollte (leider allzu flache) Helene-Fischer-Show von Ella Endlich oder die überraschende Darbietung der gregorianischen Mönche aus Feuer, Glitzer und Dramatik inkl. Kastratengesang. Stimmlich als auch an Technik wurde hier einiges aufgefahren. Dann Woods of Birnam (auch bekannt durch Polarkreis 18) mit akurater Frisur und gut einstudierten Tanzbewegungen. Avantasia, deren Sänger lt. Frau Schöneberger den Mantel vom Zirkusdirektor nach der Show an Roncalli zurückgeben muss. Eine sehr gute Darbietung, die sich auch aus dem eurovisionären Einerlei in Stockholm herausheben dürfte.
Die männliche Nicole – Alex Diehl – mit einem eben solchen Liedchen. Ok, figürlich sind beide nicht zu vergleichen. Jedoch saß Alex Diehl ebenso mit einer Gitarre sein Lied singend auf der Bühne wie anno dazumal Nicole. Nicole sang über den Frieden und Alex nun über Terror und das friedliche Zusammenleben. Positiv hervorzuheben, daß er alle Erlöse aus seinem Lied an eine Kinderorganisation Spenden möchte! Nun das kleine Mangamädchen Jamie. Die Siegerin von Voice of Germany gilt bereits als Favourit für die Teilnahme Deutschlands. Mich persönlich hat der Song nicht vom Hocker gerissen. Die farbenfrohe Ausstattung der Bühne war es, die mir gefiel.
Zum Schluß der Godfather of Grandprix, der Mister Eurovision – der Ralph Siegel! Noch einmal möchte er mit einem Beitrag für Deutschland beim Eurovision Song Contest starten. Und dementsprechend hatte auch sein diesjähriger Titel die gewichtvollen Erfahrungen aus seinem reichhaltigen Leben für den Schlagerwettbewerb. Bis in das kleinste Detail waren die Posen der Sängerin geübt und dargeboten. Auch das Kleid weckte Erinnerungen an wahre Grand Prix – Zeiten. Ob dieses Kleid ein Geschenk aus Russland oder eine Leihgabe aus Aserbaidschan war?
Der Rest der Songs lief für mich eher unbeteiligt und ohne größere Aufmerksamkeit ab. Nichts, was mich berührte oder gar vom heimischen Sofa gerissen hätte. Letztendlich landeten auch 3 der besseren Beiträge im Finale.
Avantasia, Alex Diehl und Jamie Lee Kriewitz standen somit auch erwartungsgemäß dann noch einmal auf der Bühne. Für mich in Ordnung und es war dann auch keine große Überraschung mehr, daß Jamie Lee Kriewitz mit „Ghost“ die überwiegende Anzahl der Stimmen bekam. Nun heißt es für sie „hart arbeiten“, um in Stockholm beste Leistung abliefern zu können. Die Freude stand ihr auch ins Gesicht geschrieben. Gut, diesen Erfolg hat sie sich verdient und dann kann man sich auch freuen. Jedoch wirkt sie auf mich wie ein zu schnell erwachsen gewordenes Kind, daß plötzlich ahnungslos in die raue Welt des Musikbusiness katapultiert wird. Aber jeder geht seinen Weg, welchen er für sich selbst sieht.
Wie sind die Aussichten für Deutschland beim Eurovision Song Contest in Stockholm?
Halt: da war noch eine Assoziation beim drittmaligen Hören des Gewinnerliedes. Klang da nicht etwas durch, was sich wie Black Smoke von Ann-Sophie anhörte? Viel Schlimmer noch: war es die unbedarfte Lena, die „Black Smoke“ sang? Das ist wohl das Trauma des deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest: es gibt nicht wirklich neues und überzeugendes. So wird wohl Deutschland auch in diesem Jahr wieder auf den hinteren Plätzen landen.
Eines könnte allerdings helfen, für Deutschland endlich einmal wieder einen Platz unter der ersten zehn Teilnehmern zu erreichen. Wenn jetzt für den deutschen Beitrag im europäischen stimmberechtigten Ausland Promotion gemacht wird! Es nützt nichts, wenn Jamie mit „Ghost“ jetzt durch alle deutschen Radiostationen und Fernsehanstalten geschleift wird. Aus Deutschland wird Deutschland nie Punkte erhalten, das ist nämlich eine entscheidende Regel beim Eurovision Song Contest! Aber vielleicht geht es den Verantwortlichen gar nicht so sehr um das Gewinnen, sondern nur darum, den Titel im deutschen Musikmarkt entsprechend zu positionieren?