Ich kannte Tante Karla nicht wirklich. Dennoch habe ich sie in mein Herz geschlossen. Keine Ahnung, wie oft wir uns gesehen haben.
Geschrieben von Torsten Berg
Dieser Beitrag wurde am 18.01.2024 aktualisiert.
Erstellt wurde er am 18.01.2022 .
Abschied, Trauer und ein Geschenk
Ich kannte Tante Karla nicht wirklich. Dennoch habe ich sie in mein Herz geschlossen. Keine Ahnung, wie oft wir uns gesehen haben. Es waren immer Familienfeiern, bei denen ich das Vergnügen hatte, auf Tante Karla zu treffen. Bei unserer allerletzten Begegnung – der Trauerfeier für Tante Karla, konnte ich Abschied nehmen. Und obwohl ich Tante Karla nicht wirklich kannte, konnte ich von ihr etwas für mein eigenes Leben mitnehmen.
Abschied, Trauer und ein Geschenk
Das erste Mal lernte ich Tante Karla zum Geburtstag meines Schwiegervaters kennen. Die ältere, weißhaarige und gut gekleidete Frau fiel mir gleich auf. Es ist in unseren Zeiten selten geworden, dass man sich schick anzieht. Schlabberlook und Freizeit-Outfit ist in. In ein Theaterstück oder zum Essen geht man in Jeans oder sogar in Jogginghosen. Die Zeiten haben sich geändert. Bei Tante Karla war das anders. Wenn ich sie bei Familienfeiern traf, war sie immer adrett vom Scheitel bis zur Sohle. Auch als wir sie auf der Straße beim Einkaufen trafen. Zu ihrem guten Aussehen kamen noch das höfliche Auftreten und das gute Benehmen hinzu. Es machte mir Spaß, mich mit ihr zu unterhalten.
Umso mehr ehrte es mich, dass ich die Gelegenheit hatte, mich von ihr auf ihrer Trauerfeier zu verabschieden. Gerade aktuell in Coronazeiten ist das nicht gerade einfach. Bei der Trauerfeier erfuhr ich auch so einiges aus ihrem Leben. Und auch wenn Tante Karla kein direktes Mitglied meiner Familie war, sie hinterlässt bei ihrem Abschied nicht nur Trauer, sondern auch ein Geschenk. Tante Karla gehört zu meiner Familiengeschichte einfach dazu.
Wer war Tante Karla?
1930 wurde Karla geboren, als jüngstes von mehreren Kindern. Ein paar Jahre drauf begann der Krieg und schließlich fielen dann auch die ersten Bomben. Karla reiste über die Kinderlandverschickung nach Österreich. Während sie dort weilte, kamen ihre Eltern bei einem Bombenangriff auf Bremen um das Leben. Karla wurde Waise und hatte nur noch ihre Geschwister. Sie kam zu Pflegeeltern auf einen Hof in die Nähe von Magdeburg. Nach Kriegsende wurde sie vom Vater meines Schwiegervaters nach Bremen zurückgeholt. In der Wohnung, ein Zimmer von 20 m², bei den Eltern meines heutigen Schwiegervaters, konnte sie kurz nach dem Krieg leben und kümmerte sich um den damaligen Jungen und seine Schwester.
Später erhielt sie eine Stelle als Sekretärin bei Siemens, lernte ihre große Liebe kennen und heiratete. Jahre des Glücks folgten, ein Kind wurde geboren, später folgten die Enkel. Bis in das hohe Alter von 91 Jahren ließ sich Karla ihren Lebensmut nicht nehmen. Sie musste kämpfen, vor allem in ihren Jugend. Aber auch danach war ihr Leben nicht einfach. Wessen Leben ist denn eigentlich einfach? Dennoch – den Kopf in den Sand stecken – das war Karla nicht. Unweigerliches nahm sie hin und machte das Beste daraus. Die schönen Zeiten des Lebens kostete sie aus. Anhand vieler Fotos konnte man das schon alles nachvollziehen.
Diese Haltung finde ich bewundernswert. Vielleicht, weil mich Tante Karla an meine Oma erinnert? Meine Oma wurde 1912 geboren. Auch damals waren die Zeiten nicht einfach. Das sind sie heute auch nicht. Aber wir leben heute in Frieden und im Luxus. Wir müssen nicht hungern, wir machen es freiwillig und nennen es Diät. Fast alles, was wir brauchen und auch nicht brauchen, können wir uns kaufen. Wir haben soviel zu tun, dass wir oftmals nur einen Mangel an Zeit verspüren.
Was behalte ich von Tante Karla?
Der Abschied von Tante Karla und auch der Blick auf meine eigenen engeren und weiteren Ahnen machen mir es wieder einmal deutlich:
Junge, leb dein Leben! Glaub an dich!
Was brauche ich denn wirklich in meinem Leben? Welche Dinge besorge ich mir, damit ich Spaß und Freude daran habe? In meinen Alter muss ich niemanden mehr etwas beweisen. Allerhöchsten mir! Wenn jemand eine andere Meinung hat, soll er doch! Ich möchte einfach so leben, dass ich glücklich bin! Und dazu gehören für mich neben dem respektvollen Umgang miteinander auch gutes Benehmen, gute Manieren und ein adrettes Äußeres dazu. Für Negatives habe ich keine Zeit in meinem Leben.
Tante Karla hat mir gezeigt, dass gutes Benehmen, Höflichkeit und gutes Aussehen keine Relikte vergangener Zeiten sind. Ich werde dieses Verhalten weiter pflegen! Unabhängig von den sich verändernden Zeiten.
Hinweis: Aus Gründen zeige ich aktuell hier kein Foto von Tante Karla.
Lieber Torsten, ich fühle mit Dir. Mein inzwischen 92jähriger Schwiegervater lebt hier bei uns im Haus in seiner eigenen Wohnung. Weitgehend selbständig; natürlich lassen Geist und Körper allmählich nach. Aber für meine Frau uns mich ist es ein großes Glück, dass der alte Herr ein zufriedener, positiver Mensch ist. Er achtet auf sich und ist dankbar für das, wörauf wir für ihn achten. Auch das sind Eigenschaften, bei denen ich mich immer mal wieder auf mich selbst besinne und denke: Schneide Dir nicht nur eine Schiebe davon ab. Und so kann ich gut nachfühlen, was Du nun verloren hast. Tanta Karla stand Dir zwar nicht so sehr nahe – körperlich. Aber nahe im Geiste schon. Endgültig verloren hast Du sie ja doch nicht, weil sie in Deinen Wertevorstellungen weiterlebt. Ein schöner Trost. Viele Grüße, Ullrich
Schade das ich nicht richtig von Tante Karla Abschied nehmen konnte. In meinem Herzen lebt sie weiter. Dadurch das wir als Kinder ja immer in den Ferien einige Zeit bei Oma Lisbeth verbracht haben, waren wir ja auch immer bei Tante Karla zum Kaffee. Und natürlich Onkel Erich, ihrem Mann. Immer war ich gerne bei ihr, hab mich gerne mit ihr unterhalten. Sie gab einem schon als Kind das Gefühl etwas zu sagen zu haben. Sie hörte wirklich und interessiert zu. Sie war warmherzig und ihre Stimme habe ich immer noch im Ohr sowie ihr Lachen. Für mich war sie eine feine Dame. Und als ich mit meinem Mann über Tante Karla sprach, waren wir uns einig, daß alle die Tante Karla kannten sie in ihr Herz geschlossen haben. Man konnte gar nichts dagegen tun. Ich bin traurig und gleichzeitig dankbar so eine wertvolle Person kennengelernt zu haben.
What a lovely Denkmal for your aunt !!!!